Als Landesverband Wald- und Naturkindergärten in Bayern e.V. vertreten wir die Interessen unserer Mitglieder aktiv in der Politik. Die geplante Reform des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) betrifft nicht nur klassische Kindertagesstätten, sondern auch Wald- und Naturkindergärten unmittelbar.
Wir haben daher auf den jüngsten Bericht aus der Kabinettssitzung zum BayKiBiG reagiert – mit einer fundierten Stellungnahme, die
Unsere Botschaft ist eindeutig: Rahmenbedingungen müssen Bildungseinrichtungen stärken, nicht schwächen. Gerade Wald- und Naturkindergärten leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Bildungsvielfalt und brauchen rechtliche wie finanzielle Planungssicherheit.
Hier unsere Stellungnahme:
Stellungnahme zur Reform der Kita-Finanzierung in Bayern – Eckpunkte zur Novellierung des BayKiBiG
Verabschiedet durch den Vorstand des Landesverbands Wald- und Naturkindergärten in Bayern e.V.
Die am 30. Juli 2025 im Ministerrat beschlossenen Eckpunkte zur Novellierung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) zielen darauf ab, die Kita-Finanzierung in Bayern zu modernisieren. Der Landesverband Wald- und Naturkindergärten in Bayern e.V. begrüßt das Bestreben, die frühkindliche Bildung zukunftsfähig zu gestalten, sieht jedoch in der vorliegenden Fassung erhebliche Defizite, die insbesondere freie Träger und Elterninitiativen in allen bayerischen Regionen – städtisch wie ländlich – unter Druck setzen, vor allem unsere Mitglieder – die Wald- und Naturkindergärten – die wir als Verband vertreten.
1. Fehlende Tragweite der Finanzierungserhöhung
Die angekündigten Maßnahmen reichen nicht aus, um die sprunghaft gestiegenen Kosten im Kita-Bereich nachhaltig zu decken. Statt einer bedarfsorientierten Refinanzierung von mindestens 90 % erfolgt lediglich eine punktuelle Ausweitung der Teamkräfteförderung. Dieser Ansatz behebt nicht die strukturelle Unterfinanzierung und bietet vielen Einrichtungen keine langfristige Planungssicherheit. Zudem fehlen zentrale Angaben – etwa zur konkreten Ausgestaltung des Anstellungsschlüssels oder zur Höhe des Leitungsbonus. Träger benötigen belastbare Zahlen und verlässliche Rahmenbedingungen, um wirtschaftlich planen zu können. Die derzeitige Informationslage gefährdet insbesondere kleinere Einrichtungen in ihrer Existenz.
2. Gefahr wachsender Ungleichheiten
Die Einführung einer einrichtungsbezogenen „Teamkräftepauschale“ bindet die Förderung an starre Kriterien, die nicht den tatsächlichen Bedarf vieler Träger abbilden. Freie Träger mit begrenzten Eigenmitteln und ehrenamtlicher Trägerstruktur erhalten keine angemessene Unterstützung. Dies führt zu einer zunehmenden Zweiteilung des bayerischen Kita-Angebots:
• Belastung der Eltern: Höhere Eigenbeiträge in Einrichtungen, die das eingesparte Personalbudget nicht ausgleichen können.
• Qualitätsgefälle: Ungleiche Fortbildungs- und Sachmittelausstattung, da die Pauschale nicht flexibel an den Bedarf angepasst werden kann.
• Eingeschränkte Wahlfreiheit: Alternative Betreuungsformen werden zu einem Privileg gutverdienender Familien, was die Wahlfreiheit für viele Eltern einschränkt.
Diese Entwicklung widerspricht dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse und verschärft soziale Ungleichheiten. Insbesondere in den Bereichen Integration, Inklusion und Vermeidung von Brennpunktbildung sind langfristige negative gesellschaftliche Folgen zu erwarten.
Die Bertelsmann Stiftung betont in ihrem Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme wiederholt den engen Zusammenhang zwischen Personalschlüssel und Bildungsqualität. Gesetzgebungsprozesse müssen wissenschaftliche Erkenntnisse konsequent berücksichtigen – gerade angesichts zunehmender Desinformation.
3. Mangelnde Beteiligung wichtiger Fachakteure
Trotz abgehaltener Expertenhearings blieben zentrale Interessenvertretungen unberücksichtigt. Ein partizipativer Ansatz, der Verbände und freie Träger frühzeitig einbindet, ist für eine realitätsgerechte und breit akzeptierte Reform unerlässlich. Aktuell wird die Möglichkeit einer umfassenden und fundierten Beteiligung durch kurze Rückmeldefristen und unzureichende inhaltliche Transparenz erheblich erschwert. Darüber hinaus fehlt es an Klarheit hinsichtlich geplanter Maßnahmen: Die Verschiebung der angekündigten Tagespflegepauschale von 2026 auf 2027 ist weder konkretisiert noch nachvollziehbar erläutert. Unklar bleibt, ob dies Tagespflegepersonen oder sämtliche Einrichtungen betrifft. Allgemeine Aussagen über zukünftige Planungen ohne konkrete Benennung konterkarieren den Anspruch der Reform, langfristige Planbarkeit für Träger zu gewährleisten, mit nicht absehbaren Konsequenzen für die Kita-Landschaft.
4. Risiken für Trägervielfalt und Angebotsstabilität
Freie Träger, darunter zahlreiche Wald- und Naturkindergärten, leisten einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung kommunaler Haushalte und zur Umsetzung des Ziels flächendeckender, bedarfsgerechter Kinderbetreuung. Dies geschieht mit hoher pädagogischer Qualität, geringeren Investitionskosten und hohem Elternengagement. Die aktuellen Eckpunkte berücksichtigen jedoch nicht die finanziellen Engpässe, die bereits zu Schließungsankündigungen führen. Folge ist ein Verlust an Angebotsvielfalt und Betreuungskapazitäten – ein klarer Widerspruch zum Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse in Bayern. Wir fordern, dass alle Kinder – unabhängig vom Einkommen der Eltern – Zugang zu hochwertigen und vielfältigen Betreuungsangeboten erhalten. Familien müssen echte Wahlfreiheit hinsichtlich des passenden Kita-Modells behalten. Das ist nur möglich, wenn auch kleinere Träger wirtschaftlich tragfähig bleiben. Eine Reform, die vor allem größere Strukturen bedient, gefährdet die Trägervielfalt und damit die Wahlmöglichkeiten der Familien. Zudem braucht es dringend einen Mechanismus zur tatsächlichen Erstattung überdurchschnittlicher Personalkosten – insbesondere bei tarifgebundenen Trägern. Bisher sind die Spielräume im System zu eng, um Qualität, Personalbindung und Arbeitgeberattraktivität dauerhaft zu gewährleisten.
5. Kritische Einordnung des „Kinderstartgeldes“
Die Aufteilung der Mittel zwischen direkter Familienleistung und institutioneller Förderung setzt im aktuellen Kontext der Reform falsche Anreize. Die Einführung eines pauschalen „Kinderstartgeldes“ – unabhängig vom Haushaltseinkommen – verstärkt das Gießkannenprinzip, ohne die strukturelle Finanzierungslücke im Kita-Bereich zu schließen. Eine einkommensabhängige Beitragsstaffelung wäre sozialpolitisch treffsicherer und würde die institutionelle Förderung gezielt stärken. Eingesparte Mittel müssen konsequent dem Bildungsbereich zugutekommen. Die Aufteilung der Mittel zwischen direkter Familienleistung und Betreuungstiteln setzt falsche Anreize – insbesondere im Kontext der Reformvorhaben. Während wir uns bei der Elterngelddebatte zurückhaltend zeigten, zeigt sich hier eine andere Lage: Im Zusammenspiel mit der Kita-Finanzierungsreform entsteht ein Ungleichgewicht zulasten der Bildungseinrichtungen.
Dadurch drohen signifikante Rückwirkungen auf das Gesamtsystem:
• Die ohnehin prekäre Finanzierung der Kita- und v.a. der Krippenlandschaft wird weiter geschwächt. Angesichts der hohen Kosten in diesem Bereich droht der Rückgang von Buchungszeiten, da sich viele Familien – vor allem Mütter in Teilzeit – eine Betreuung finanziell nicht mehr leisten können.
• Dies führt zu weiteren Schließungen, sinkenden Kapazitäten und langfristigen gesellschaftlichen Folgen in Anbetracht bereits jetzt niedriger Geburtenraten.
6. Dringende Fachkräfteoffensive
Die reine Förderung zusätzlicher Assistenzkräfte ersetzt keine umfassende Fachkräfteinitiative. Vielmehr braucht es:
Die Realität in den Einrichtungen zeigt, dass die Anforderungen an pädagogische Fachkräfte in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Gleichzeitig nimmt die Belastbarkeit vieler Berufseinsteiger:innen ab – vielfach als Folge von Überforderung bereits im Schulsystem. Die sozial-emotionale Entwicklung vieler Kinder wurde durch die Pandemie und weitere gesellschaftliche Spannungen signifikant beeinträchtigt, insbesondere in Brennpunktlagen. Für diese komplexen Bedarfe braucht es mehr denn je gut ausgebildetes Personal mit entsprechenden Ressourcen. Zugleich zeigen Rückmeldungen aus der Praxis, dass trotz gestiegener Anforderungen die Qualität vieler Ausbildungen tendenziell abnimmt. Dem entgegenzuwirken ist eine der zentralen Stellschrauben für eine zukunftsfähige Bildungslandschaft.
Fazit und Forderungen
Die Reform bleibt begrenzt in ihrer Wirkung, da sie weder Finanzierungs- noch Qualitätsaspekte ausreichend adressiert. Der Landesverband Wald- und Naturkindergärten in Bayern e.V. fordert eine strukturelle Neuausrichtung, die Qualität, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit verbindet:
• Erhöhung des Landesfinanzierungsanteils auf mindestens 90 %.
• Einheitlicher, bedarfsgerechter Personalschlüssel zur Sicherung pädagogischer Qualität.
• Verbindliche Einbindung aller anerkannten Fach- und Trägerverbände in Gesetzgebungsprozesse.
• Gezielte Förderung alternativer Trägermodelle, insbesondere Elterninitiativen und Wald- und Naturkindergärten.
• Ressortübergreifende Fachkräfteinitiative zur Verbesserung von Ausbildung, Berufsattraktivität und langfristiger Personalbindung.
• Einkommensabhängige Ausgestaltung familienbezogener Leistungen (z. B. Startgeld), um zielgerichtete Wirkung zu entfalten und Mittel effizient zu allokieren.
• Einführung eines Kostenerstattungsmechanismus für Träger mit überdurchschnittlichen Personalaufwendungen.
• Sicherstellung von Planungssicherheit durch mehrjährige Förderzusagen und indexierte Pauschalen.
Wir appellieren an die Staatsregierung, den Dialog mit allen Akteuren umgehend zu intensivieren. Nur gemeinsam lässt sich eine Reform gestalten, die dem Wohl der Kinder, den Bedürfnissen der Fachkräfte und den Erwartungen der Familien in Bayern gerecht wird.
Als Landesverband Wald- und Naturkindergärten in Bayern e.V. bringen wir unsere Expertise und Praxiserfahrung aktiv ein und wollen im engen Schulterschluss mit anderen Fach- und Trägerverbänden sowie politischen Entscheidungsträgern konstruktiv mitwirken – fachlich fundiert, lösungsorientiert und im Sinne einer chancengerechten, vielfältigen Bildungslandschaft für alle Kinder in Bayern.